Freitag, 24. Mai 2013

Seepferdchen.

Vor kurzem in der Mittagspause besprochen:
Ich habe einen lieben Arbeitskollegen mit einer etwas seltsam anmutenden Affinität zur Medizin, genauer gesagt, zur Neuroanatomie. An dieser Stelle sei angemerkt, dass wir beide derzeit in einem nicht-medizinischen Beruf arbeiten. Das Gehirn ist quasi sein Steckenpferd.
Nun gut, er möchte also etwas über das Gehirn wissen. Da mich die Medizin nach wie vor sehr interessiert, bin ich nicht abgeneigt, ihm etwas nahrhaftes für seinen Wissenshunger zu geben. Aber nicht irgendetwas möchte er wissen, sondern die Funktion des Hippocampus. Noch nie gehört? Es handelt sich hier um ein Tier, das wir im Kopf haben, nämlich das Seepferdchen. Was also macht ein Seepferdchen in unserem Gehirn?
Das Seepferdchen ist einer der ältesten Teile unseres Gehirns und unter anderem zuständig für unser Gedächtnis. Hier ist sozusagen ein Schaltkreis aufgebaut, der unsere Gedanken aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis transferiert. Es werden Erinnerungen generiert und langfristig dann in der Grosshirnrinde abgespeichert.
Eine weitere Besonderheit ist die, dass bei Tieren das Seepferdchen für die räumliche Orientierung zuständig ist. Beim Menschen beschränkt sich dies auf die Tatsache, dass man bei einer Störung in diesem Teil des Gehirns zwar nicht die Orientierung verliert, jedoch ausser Stande ist, eine Wegbeschreibung abzugeben.
An dieser Stelle frage ich mich, ob dies vielleicht evolutionstechnisch der Grund ist, warum Männer Frauen nicht nach dem Weg fragen? Gibt es da einen Zusammenhang? Also ich für meinen Teil muss offen gestanden zugeben, dass ich ziemliche Probleme damit habe, eine konkrete Wegbeschreibung abzugeben, von räumlichen Denken einmal ganz abgesehen. Gebt mir eine deutsche Strassenkarte in die Hand und wir landen in Dubai. Ich will damit natürlich nicht behaupten, dass alle Frauen so sind, jedoch ist mir dieses Phänomen in meinem Bekanntenkreis nicht nur einmal über den Weg gelaufen.
Zurück zu unserem Seepferdchen. Nicht zuletzt tritt das Seepferdchen auch noch bei starkem Stress in Funktion. Dann nämlich kann er tatsächlich schrumpfen. Fassen wir einmal zusammen: Hoher emotionaler und psychischer Stress, starke Belastungen im Alltag, Alkohol und auch Schlafmangel führen unter Umständen zu einem Schrumpfen unseres Seepferdchens. Es wird sozusagen ein Miniaturpferd mit der Gedächtnisleistung eines Goldfischs. Wenn dies wirklich so zutreffen würde, wäre die Hälfte der Chefärzte in unseren Unikliniken wohl auf dem Stand einer 80jährigen, dementen Frau, deren Seepferdchen die Grösse einer Amöbe hat. Gott sei Dank sind unsere Ärzte bereits einen Schritt weiter in der Evolution. Der Trick heisst: Lernen und weiterbilden.
Studien belegen, dass das Seepferdchen bis ins hohe Alter hinein neue Strukturen und Nervenzellen bilden kann. Es macht also durchaus Sinn, immer wieder neuen Lernprozessen entgegen zu streben, um sich und sein Seepferdchen fit zu halten.
Als Fazit dieser Erkenntnis kann man sagen, dass wir unser Seepferdchen hegen und pflegen sollten. Vielleicht sollte man zukünftig nicht die Seele streicheln, sondern gleich das Seepferdchen und vor allen Dingen darauf achten, dass man genug für das Gedächtnis tut.

(Quelle betreffend anatomischen Hintergrund: Wikipedia)

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